Kürzlich las ich im Psalmenkommentar von Erich Zenger, einem angesehenen Bibelwissenschaftler, über Psalm 149, Vers 4:
„Dieser Vers vollzieht eine der spektakulärsten Identifikationen der Bibel: Er verkündet Gottes Option für die Armen. Er definiert die Armen als Gottes Volk.“
Der Vers lautet:
Denn Jahwe will begnaden sein Volk,
er schmückt die Armen mit Heil.


Hebräische Poesie hat die Eigenart, Sätze mit zwei Satzteilen zu bilden. Im zweiten Teil wird dann der Gedanke des ersten Teils mit anderen Worten variiert. So liegt der Schluss nahe: Gottes Volk sind die Armen.
Ein provozierender Gedanke! Die Armen sind Gottes Volk.
Ein Blick ins hebräische Wörterbuch zeigte, dass hier wirklich die Armen und Unterdrückten im politischen Sinn gemeint sind.
 Oh – ha, dachte ich. Warum ist mir das noch nicht früher aufgefallen?
„Denn Jahwe will begnaden sein Volk,
er schmückt die Armen mit Heil.“


 Ich schaute in den Psalter der Lutherübersetzung. Dort lautet der Vers:
Denn der Herr hat Wohlgefallen an seinem Volk,
er hilft den Elenden herrlich.
Aha! Da wird der Gedanke aber ganz schön verwässert.
 Ich schaute in die ökumenische Einheitsübersetzung. Dort lautet der Vers:
Der Herr hat an seinem Volk Gefallen,
die Gebeugten krönt er mit Sieg.
Aha! Das ist ja noch schlimmer.
 Und im Psalter von Romano Guardini heißt es:
Denn der Herr, ER liebt sein Volk,
Demütige ziert er mit Siegesglanz.
Aha!
Auch in der Elberfelder Übersetzung werden aus den „Armen“ die „Demütigen“.
 Aus: Gottes Volk sind die Armen
wird: Gott freut sich über demütige Menschen.


Da hat man doch ein provozierendes Gottesbild einfach verharmlost. Der Gott der Armen und Unterdrückten wird einfach weg übersetzt, futsch ist er. In schöner ökumenischer Gemeinsamkeit!
 Doch der Hammer kommt noch.
Zu einem Gott der Armen sollen Reiche offensichtlich nicht beten
- in schöner ökumenischer Gemeinsamkeit.
Nicht erwünscht ist in den wohlhabenden, etablierten Kirchen Deutschlands der Lobgesang auf einen Gott, der eine Option für die Armen und Unterdrückten hat,
- in schöner ökumenischer Gemeinsamkeit.
Der Gott für die Armen und Unterdrückten wird verharmlost und vertuscht
– in schöner ökumenischer Gemeinsamkeit.
Ein Gott der Armen hätte ja schließlich Konsequenzen für die Kirchen.
So funktioniert sie bestens, die Ökumene – zumindest als Verharmlosungs-Ökumene.
 

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