Vor langer, langer Zeit, da gab es ein Volk. Das verstand sich als eine große Gemeinschaft. Zu diesem Volk gehörten alle, jeder war wichtig. Und wenn jemand in Schwierigkeiten kam, dann wurde ihm geholfen.

 Von diesem Gedanken war auch das Gesundheitswesen geprägt. Alle zahlten in die Krankenkasse ein, in guten und in schlechten Tagen. Der Beitrag für die Krankenkasse war erschwinglich. Und wenn jemand krank wurde, konnte er zum Arzt gehen; die Krankenkasse zahlte es für ihn.

 Es war immer der gleiche Arzt, zu dem man ging, der Arzt in der Nähe. Er kannte einen schon von Kindsbeinen an. Er kannte auch die Familie, und wie es dort zuging. Er wusste, welche Krankheiten man schon gehabt, und welche Medizin man schon bekommen hatte. Das alles wusste er, weil er mit seinen Patienten sprach. Und deshalb ging man ja auch in die Sprechstunde. Und wenn der Arzt in der Nähe nicht mehr weiter wusste, dann schickte er einen zum Facharzt, oder, in seltenen Fällen, auch ins Krankenhaus.

 So ging das Jahr um Jahr, und alle waren zufrieden.

 Aber dann kam jemand auf die Idee, dass Krankheit auch ein Geschäft ist. Und man entwarf eine Strategie, wie immer mehr Leute immer mehr an den kranken Menschen verdienen könnten. Für jeden Pieps zum Facharzt: teure Untersuchungen mit teuren Apparaten; Tabletten, Pillen und Wässerchen für und gegen alles.

 Fürs Sprechen wurden die Ärzte nicht mehr bezahlt, weil: Sprechen macht keinen Umsatz.

 Ärzte sollten verdienen, Apotheken sollten verdienen, Krankhäuser sollten verdienen, Pillendreher sollten verdienen. Es wurde immer doller. Es entstanden große Krankheitskonzerne. Umsatz und Profit standen im Vordergrund. Kranke Menschen waren nur mehr das Material, mit dem man Profit machen konnte. In der guten alten Zeit waren sie es gewesen, um die es ging. Jetzt ging es nur mehr um Zuwächse. Und Krankheit war ein gutes, sicheres Geschäft, den krank wird jeder mal.

 Am schlimmsten war, dass man die Menschen nicht mehr sterben ließ, wenn ihre Zeit gekommen war. Sie wurden künstlich am Leben erhalten, oft viele Jahre lang, und eine Menge Leute verdienten sich eine goldene Nase an diesen Pflegefällen.

 Irgendwann, vor langer Zeit, war dann der Punkt erreicht, dass das Ganze nicht mehr zu bezahlen war. Es musste Geld in die Kassen. Und so kam jemand auf die Idee, dass die Menschen sich an den Kosten für ihre Krankheiten beteiligen sollten– obwohl sie doch Beiträge in die Krankenkassen bezahlten. Nun sollten sie für Medikamente zahlen, für Gebisse, für Brillen, für Massagen, für Krankenhausaufenthalt für für für ... Und gesünder als vor langen, langen Jahren war man trotzdem nicht.

 Im Lauf der Jahre kam es so weit, dass die Kranken all ihre Behandlungen selber zahlen mussten – obwohl sie doch Beiträge in die Krankenkassen zahlten. Und die Krankenkassen verteilten die Beiträge der Menschen einfach an die Ärzte, die Apotheken und die Konzerne, ohne dass es irgend eine Wirkung für die Patienten hatte.

 Wie sehnten sich da die Menschen ins Mittelalter zurück, als man nur den Zehnten bezahlen musste. Jetzt zahlte man schon mehr als den Zehnten allein an die Krankenkassen. Als dem Ersten dann vor Jahren der Kragen platzte und er auf die Barrikaden ging, schlossen sich ihm sofort andere an, und immer mehr, viele und viele. Es wurde eine richtige Revolution. Man holte die Funktionäre der Gesundheitskonzerne und der Krankenkassen aus ihren schicken Büros und prügelte sie aus dem Land. Und die Politiker, die mit ihnen gemeinsame Sache gemacht hatten, gleich dazu.

 Aber was nun? Die Menschen wurden nach wie vor krank. Sollte man jedem seinem Elend überlassen, nur weil die Schurken der Gesundheitsindustrie das Land ausgeplündert hatten?

 Nun kam nach der Revolution ein kluger Mann an die Regierung. Er sagte, wenn man mit Krankheit Geschäfte mache, könne das sehr böse enden; man habe es gerade erlebt. Nicht die Krankheit müsste ein Geschäft sein, sondern die Gesundheit. Das käme allen Beteiligten zugute.

 Sein Plan sah so aus: Jeder Mensch wurde einem Arzt zugeordnet, dem Arzt in seiner Nähe. Und dieser Arzt war für die Gesundheit zuständig. Solange man gesund war, musste man Beitrag an den Arzt zahlen, wie früher an die Krankenkasse. Solange man krank war, zahlte man nichts. Alle Behandlungskosten musste der Arzt tragen

 Der Vorteil dieses Plans lag auf der Hand. Die Patienten hatten Interesse daran, gesund zu sein, und die Ärzte auch. Kein Arzt verordnete mehr sinnlose Untersuchungen und wirkungslose Medikamente. Viele gesunde Patienten begründeten den Wohlstand der Ärzte. Und so waren alle zufrieden.

 Heute leben die Menschen in diesem Volk gut, fühlen sich wieder als große Gemeinschaft und sind gesund wie noch nie.

 

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